Reizdarm-Medikamente – Welche Medikamente helfen beim Reizdarmsyndrom?
In der Therapie des Reizdarmsyndroms nehmen Medikamente bisher nur eine unterstützende Rolle ein. Die Mittel können Reizdarmsymptome zwar lindern, aber nicht deren Ursachen bekämpfen. Vom Reizdarmsyndrom Betroffene und die pharmazeutische Industrie warten daher bereits seit Jahren auf wirksamere Reizdarm-Medikamente. Das Spektrum der bei Reizdarmsyndrom eingesetzten Substanzen umfasst:
- verschreibungspflichtige Substanzen
- frei verkäufliche Medikamente
- pflanzliche Stoffe (Phytotherapeutika)
- Nahrungsergänzungsmittel wie Probiotika
Die Auswahl der individuell für Betroffene geeigneten Präparate sollte immer in Rücksprache mit dem Arzt oder Apotheker erfolgen, um mögliche Wechsel- und Nebenwirkungen zu vermeiden. Reizdarm-Medikamente lassen sich bestimmten Beschwerdebildern zuordnen, wobei die Einteilung nach den folgenden vier Leitsymptomen erfolgt:
- Schmerzen
- Durchfall
- Verstopfung
- Blähungen und Luft im Bauch
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Welche Reizdarm-Medikamente helfen bei Schmerzen?
Viele vom Reizdarmsyndrom Betroffene leiden unter starken Schmerzen. Mehrere Studien zeigen, dass sich die Schmerzwahrnehmung beim Reizdarmsyndrom mit der Zeit verändert. Schon kleine Mengen Luft im Bauch können mit Schmerzen einhergehen, die ein Gesunder nicht gleichermaßen als schmerzhaft empfinden würde. Außerdem kann eine übermäßige Gasbildung, zum Beispiel durch eine bakterielle Fehlbesiedlung, auftreten und dann zu Beschwerden führen. Auch Krämpfe der Darmmuskulatur werden als sehr schmerzhaft wahrgenommen.
Übersicht über Medikamente gegen Schmerzen bei Reizdarmsyndrom mit Empfehlungsgrad
Empfehlungsgrad | Medikamente |
empfohlen | Spasmolytika (zum Beispiel Butylscopolamin, Mebeverin) |
möglich
|
lösliche [Ballaststoffe](https://cara.care/de/ernaehrung/lebensmittel/ballaststoffe/) (zum Beispiel [Macrogol](https://cara.care/de/behandlung/medikamente/macrogol/), indische [Flohsamenschalen](https://cara.care/de/ernaehrung/lebensmittel/flohsamenschalen/)) |
trizyklische Antidepressiva (zum Beispiel Amitriptylin) | |
selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (zum Beispiel Citalopram) | |
Probiotika (zum Beispiel E. coli Nissle und Bifidobakterien) | |
pflanzliche Substanzen (zum Beispiel Kümmel- oder [Pfefferminzöl](https://cara.care/de/erkrankungen/reizdarm/pfefferminzoel/))
5-HT3-Antagonisten in Ausnahmefällen |
|
eher nicht zu empfehlen
|
periphere Schmerzmittel (insbesondere NSAR wie Ibuprofen) |
Antibiotika (Ausnahme: Rifaximin in Einzelfällen) | |
Pregabalin/Gabapentin | |
Aloe vera | |
nicht zu empfehlen
|
Opiate und Opiatagonisten (zum Beispiel Tramadol) |
Pankreasenzyme |
Bei Pfefferminzöl und Kümmelöl handelt es sich um zwei pflanzliche Substanzen (Phytotherapeutika), die sich in der Anwendung beim Reizdarmsyndrom als krampflösend und schmerzlindernd bewährt haben. Die Öle sind in Kapselform verfügbar und werden eine halbe Stunde vor einer Hauptmahlzeit eingenommen. Ausgeprägte Nebenwirkungen sind nicht bekannt; allerdings wird manchmal beim Aufstoßen der Geruch des Präparates als störend empfunden.
Wie wirkt Butylscopolamin?
Butylscopolamin setzt die Spannung der glatten Muskulatur im Magen-Darm-Trakt herab. Durch die Hemmung der dort sitzenden Muscarin-Rezeptoren (anticholinerge Wirkung) wird die Darmmuskulatur entspannt.
N-Butyl-Scopolamin | |
Anwendung | 3-mal täglich 1–2 Dragees, maximal 6 Dragees pro Tag |
Nebenwirkungen | das Medikament ist generell gut verträglich. Mögliche Nebenwirkungen: Mundtrockenheit, trockene Haut, Hautreaktionen, Glaukomanfall, schneller Herzschlag, Blutdruckabfall, Schwindel, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Magenbeschwerden, Probleme beim Wasserlassen, Müdigkeit |
Kontraindikation (nicht einnehmen bei:) | Engwinkelglaukom |
Abflussbehinderungen aus der Harnblase, zum Beispiel benigne Prostatavergrößerung | |
[Fructose-Intoleranz](https://cara.care/de/erkrankungen/intoleranz/fructose/fructoseintoleranz-symptome/) (nur bei nachgewiesener Intoleranz, innerhalb der [Low-FODMAP-Diät](https://cara.care/de/ernaehrung/diaeten/low-fodmap/) ist das Medikament unbedenklich) | |
Tachykardie (schneller Herzschlag), Tachyarrhythmie (schneller, unregelmäßiger Herzschlag) | |
Verengungen des Magen-Darm-Trakts | |
Darmverschluss | |
Myasthenia gravis (neurologische Erkrankung mit belastungsabhängiger Muskelschwäche) | |
Kinder < 6 Jahre, da hierzu keine ausreichenden Erfahrungen vorliegen | |
Wechselwirkungen | Mit verschiedenen anderen Medikamenten wie zum Beispiel trizyklischen Antidepressiva können Wechselwirkungen auftreten. |
So sehr die Schmerzen Betroffene plagen, die Anwendung von klassischen Schmerzmitteln wie ASS (Aspirin), Paracetamol oder Ibuprofen wird beim Reizdarmsyndrom nicht empfohlen. Da sich das Schmerzempfinden mit der Erkrankung verändert, haben diese Substanzen bei längerer Anwendung keinen positiven Effekt – im Gegenteil, sie verstärken die Störung der Schmerzwahrnehmung. Auch die Nebenwirkungen der Schmerzmittel, wie zum Beispiel Verstopfung bei Opiaten, machen die Einnahme bei Reizdarmsyndrom nicht empfehlenswert.
Welche Reizdarm-Medikamente helfen bei Durchfall?
Akute Durchfälle, wie sie bei Magen-Darm-Infektionen bekannt sind, unterscheiden sich meist von den chronischen Durchfällen, wie sie bei Reizdarmsyndrom auftreten. Deshalb hilft bei längerer Erkrankungsdauer eine ursächliche, ganzheitliche Therapie des Reizdarmsyndroms, um die Durchfälle zu reduzieren. Dennoch gibt es einige Medikamente, die Betroffenen in akuten Phasen helfen können.
Übersicht über Medikamente gegen Durchfall mit Empfehlungsgrad
Empfehlungsgrad | Medikamente |
möglich
|
Loperamid |
Ballaststoffe | |
Cholestyramin | |
Probiotika (zum Beispiel E. coli Nissle und Bifidobakterien) | |
pflanzliche Substanzen (zum Beispiel Pfefferminz- oder Kümmelöl) | |
5-HT3-Antagonisten in Ausnahmefällen | |
Spasmolytika wie Butylscopolamin | |
eher nicht zu empfehlen
|
Traditionelle Chinesische Medizin/Kräutertherapie |
Antibiotika (Ausnahme: Rifaximin in Einzelfällen) | |
Aloe vera | |
nicht zu empfehlen | Racecadotril |
Bei Störungen der Beweglichkeit der Darmmuskulatur (Motilitätsstörung) ist Loperamid ein geeigneter Wirkstoff. Die Substanz wirkt nahezu ausschließlich an Rezeptoren im Darm und reduziert die Beweglichkeit des Darms, was dazu führt, dass die Nahrung länger im Darm verbleibt. Dadurch werden mehr Flüssigkeit und Elektrolyte aus der Nahrung absorbiert und der wässrige Stuhl kann sich wieder verfestigen. Loperamid darf ohne ärztliche Rücksprache nicht länger als zwei Tage eingenommen werden. Während der Einnahme ist auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten.
Loperamid | |
Anwendung | zunächst 2 Tabletten und anschließend nach jedem geformten Stuhl jeweils eine Tablette, max. 6 Stück pro Tag |
Kontraindikationen | Durchfälle mit Fieber und/oder blutigem Stuhl
Durchfälle im Zusammenhang mit Antibiotikaeinnahme bakteriell bedingte Darmentzündung durch enteroinvasive Erreger (zum Beispiel Salmonellen, Shigellen, Campylobacter, E.-coli-Varianten) chronischer Durchfall Colitis ulcerosa mit akutem Schub Phenylketonurie (Stoffwechselstörung mit der Unfähigkeit, Phenylalanin abzubauen, wie zum Beispiel in Aspartam enthalten) |
Nebenwirkungen | Kopfschmerzen, Schwindel |
Obstipation, Übelkeit, Flatulenz, abdominelle Schmerzen, aufgeblähter Bauch | |
Erbrechen, Sodbrennen, Mundtrockenheit | |
Hautausschlag | |
Wechselwirkungen | P-Glykoprotein-Inhibitoren: Erhöhung der Plasmaspiegel von Loperamid, bei Einnahme von zwei Tagen Dauer jedoch klinisch eher nicht relevant |
Welche Reizdarm-Medikamente helfen bei Verstopfung?
Ist ein Toilettengang nicht mindestens dreimal pro Woche möglich, so spricht man von Verstopfung. In diesem Fall ist der Stuhl sehr hart und besteht meist aus einzelnen Klumpen. In der Gesellschaft nimmt die Tendenz zur Verstopfung zu, da sich viele Menschen zu oft von ballaststoffarmen Fertig- und Fast-Food-Produkten ernähren. Eine ballaststoffreiche und gesunde Mischkost ist hingegen empfehlenswert. Trotz gesunder Ernährung liegt Verstopfung bei Reizdarmsyndrom häufig an einer gestörten Beweglichkeit (Motilität) des Darms. Gegen Verstopfung bei Reizdarmsyndrom können die folgenden Medikamente helfen.
Übersicht über Medikamente gegen Verstopfung mit Empfehlungsgrad
Empfehlungsgrad | Medikamente |
empfohlen | Ballaststoffe, zum Beispiel indische Flohsamenschalen |
möglich
|
osmotische Laxanzien vom Macrogoltyp |
Lubiproston | |
Probiotika (zum Beispiel E. coli Nissle und Bifidobakterien) | |
pflanzliche Substanzen (zum Beispiel STW5) | |
Serotonin-Wiederaufnahmehemmer | |
Spasmolytika, zum Beispiel Butylscopolamin | |
eher nicht zu empfehlen | Domperidon |
Antibiotika | |
andere pflanzliche Substanzen |
Welche Reizdarm-Medikamente helfen bei Blähungen oder Blähbauch?
Einige vom Reizdarmsyndrom Betroffene leiden vor allem unter Blähungen, Völlegefühl und einem Blähbauch. Darmwinde sind grundsätzlich bis zu 20 Mal am Tag als normal einzustufen. Treten diese häufiger auf und stellen sie das Hauptsymptom dar, verbirgt sich sehr oft eine Nahrungsmittelunverträglichkeit dahinter. Als Symptom des Reizdarmsyndroms ist ein geblähter Bauch oft auch schmerzhaft. Vielen Betroffenen hilft als erste Maßnahme Wärme. Die nachfolgend vorgestellten Medikamente können die Symptome ebenfalls lindern. Betroffene, die an einer bakteriellen Fehlbesiedlung leiden, können mit einem Antibiotikum behandelt werden, das die Symptome reduziert oder gänzlich verschwinden lässt.
Übersicht über Medikamente gegen Blähungen/Völlegefühl mit Empfehlungsgrad
Empfehlungsgrad | Medikamente |
möglich
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Entschäumer, zum Beispiel Simeticon |
Probiotika (zum Beispiel E. coli Nissle und Bifidobakterien) | |
pflanzliche Substanzen | |
Rifaximin (Antibiotikum, je nach Ursache der Beschwerden zu empfehlen) | |
eher nicht zu empfehlen
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Cholinergika/Parasympathomimetika |
Analgetika | |
trizyklische Antidepressiva | |
nicht zu empfehlen | Pancreasenzyme |
Schmerzhafte Gase im Darm sammeln sich oft in Form von Blasen und Schaum. So können die Gase allerdings nicht von der Darmwand aufgenommen werden. Simeticon ist ein Entschäumer (Carminativum), der ausschließlich physikalisch im Darm wirkt. Er senkt die Oberflächenspannung von Gasblasen, sodass diese zerplatzen und das Gas von der Darmwand aufgenommen werden kann.
- Anwendung: die auf der Verpackung angegebene Menge ist zu oder nach den Mahlzeiten einzunehmen
- Simeticon gibt es auch als Kautabletten mit Glucose, Saccharose, Fenchel-, Kümmel- und Pfefferminzöl
Welche Reizdarm-Mittel helfen beim Aufbau einer gesunden Darmflora?
Probiotika können die Reizdarmsymptome Durchfall, Verstopfung, Schmerzen und Blähungen lindern. Allerdings ist ihre Wirksamkeit noch nicht umfassend bewiesen.
Eine gesunde Darmflora ist außerordentlich wichtig für die Darmgesundheit. Das Zusammenspiel der verschiedenen Bakterien und Mikroorganismen beeinflusst auch das Wohlbefinden in besonderem Maße. Bei vielen vom Reizdarmsyndrom Betroffenen befindet sich die Darmflora im Ungleichgewicht. So sind oft „schädliche“ Bakterien in einer zu hohen Anzahl vorhanden, wohingegen zum Beispiel Bifidobakterien, die die Darmschleimhaut schützen und eine Barrierefunktion haben, in verminderter Anzahl vorliegen. In Studien als wirksam herausgestellt haben sich beispielsweise Lactobacillus plantarum DSM 9843, Escherichia coli DSM1752 and Streptococcus faecium.
Die Präparate sind in Apotheken erhältlich und werden ein- bis zweimal täglich nach Anweisung eingenommen. Bei Blähungen, welche zu Beginn der Einnahme auftreten können, wird empfohlen, mit einer Dosiseinheit (einer Kapsel entsprechend) zu beginnen.
Wann helfen Antidepressiva in der Therapie des Reizdarmsyndroms?
Antidepressiva werden von den meisten Menschen mit der Erkrankung Depression in Verbindung gebracht. Deshalb erschließt sich nicht direkt der Sinn einer Einnahme beim Reizdarmsyndrom. Da das Darmnervensystem jedoch genauso wie das Gehirn über Signale (Transmitter) kommuniziert, haben einige Forscher bei Reizdarmsyndrom bereits von einer „Depression des Darms“ gesprochen. Dabei könnten Veränderungen von Transmittern im Darm Einfluss auf die Schmerzwahrnehmung haben. Das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin hat sich bei einigen Betroffenen und vor allem, wenn Schmerzen das Hauptsymptom sind, bewährt. Allerdings sollte es nicht bei Verstopfung verabreicht werden, da Amitriptylin diese selbst auch als Nebenwirkung herbeiführen kann. Für Betroffene mit Verstopfung eignet sich hingegen eine andere Gruppe von Antidepressiva, die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs).
Die angeführten Antidepressiva werden bei Reizdarmsyndrom in geringeren Dosierungen als bei Depressionen eingesetzt. Sie eignen sich ebenso bei psychischen Problemen, die im Zusammenhang mit einem Reizdarmsyndrom auftreten können.
Helfen homöopathische Medikamente bei Reizdarmsyndrom?
In großen klinischen Studien konnte bislang keine erhöhte Wirksamkeit homöopathischer Medikamente gegenüber Placebo-Medikamenten ohne Wirkstoff bestätigt werden. Eine beobachtete Wirksamkeit ist demzufolge nicht auf die Wirkstoffe in den homöopathischen Mitteln zurückzuführen.
Die Einnahme homöopathischer Substanzen ist nicht schädlich. Auf Wunsch von Betroffenen können daher auch homöopathische Arzneimittel unterstützend gegen die Symptome eines Reizdarmsyndroms eingenommen werden.
Layer P, Andresen V, Pehl C, et al. S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Gemeinsame Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM). Z Gastroenterol. 2011;49(02):237-293. Doi:10.1055/s-0029-1245976.
Kułak-Bejda A, Bejda G, Waszkiewicz N. Antidepressants for irritable bowel syndrome – A systematic review. Pharmacol Rep. 2017;69(6):1366-1379. Doi:10.1016/j.pharep.2017.05.014.
Ford AC, Harris LA, Lacy BE, Quigley EMM, Moayyedi P. Systematic review with meta-analysis: the efficacy of prebiotics, probiotics, synbiotics and antibiotics in irritable bowel syndrome. Aliment Pharmacol Ther. 2018;48(10):1044-1060. Doi:10.1111/apt.15001.