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Erkrankungen

Reizdarm

Das Reizdarmsyndrom ist ein komplexes und vielschichtiges Krankheitsbild. Aktuelle Forschungsergebnisse bringen allmählich Licht ins Dunkel. Die Erkrankung lässt sich zunehmend besser verstehen und behandeln. In diesem Übersichtsartikel erfährst du, wie das Reizdarmsyndrom entsteht. Außerdem findest du Informationen zur Diagnosestellung und zu Behandlungsmöglichkeiten.


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Was versteht man unter dem Reizdarmsyndrom?

Das Reizdarmsyndrom (kurz: RDS) umfasst eine Gruppe von Symptomen funktioneller Magen-Darm-Erkrankungen und wird unter anderem synonym als

  • Reizdarm oder Reizcolon
  • Irritables Darmsyndrom (kurz: IDS), Colon irritabile (englisch: Irritable bowel syndrom (kurz: IBS))
  • Colica mucosa
  • nervöser Darm
  • Colitis spastica oder Colon spasticum
  • Colon irritabile

bezeichnet. Die irreführende Bezeichnung „Colon irritabile“ kam zustande, weil man früher fälschlicherweise annahm, dass ausschließlich der Dickdarm (Kolon) von der Erkrankung betroffen sei.

Wenn die Funktion eines Organs gestört ist, sodass es zu Beschwerden kommt, und sich keine morphologischen oder strukturellen Schäden feststellen lassen, spricht man von einer „funktionellen Störung“. Es wird daher vor allem von psychosomatischen Zusammenhängen bei der Krankheitsentstehung des Reizdarmsyndroms ausgegangen. Das bedeutet, dass die Wechselwirkungen von Psyche und Körper hierbei eine entscheidende Rolle spielen. Es ist jedoch falsch „funktionell” mit „psychisch” gleichzusetzen.

Wie viele Personen leiden unter einem Reizdarmsyndrom?

Viele Menschen hatten in ihrem Leben schon einmal Probleme mit dem Magen-Darm-Trakt oder geben zumindest an, gelegentlich unter einem empfindlichen Magen zu leiden. Laut der Studie einer großen Krankenkasse erhalten in Deutschland 1,5 Prozent der Bevölkerung die Diagnose Reizdarmsyndrom. In der internationalen Fachliteratur variieren die Häufigkeitsabschätzungen zwischen 2,5 und 25 Prozent. Damit zählt das Reizdarmsyndrom zu den häufigsten funktionellen Störungen des Verdauungssystems und könnte sogar, ähnlich wie Bluthochdruck, Diabetes oder Depressionen, als „Volkskrankheit“ bezeichnet werden. Die Krankheit kann in jedem Lebensalter auftreten. Je nach Alter scheinen Frauen deutlich häufiger als Männer von der Erkrankung betroffen zu sein.

Wie entsteht das Reizdarmsyndrom?

Fälschlicherweise wurde bis vor wenigen Jahren noch angenommen, dass das Reizdarmsyndrom eine Somatisierungsstörung sei, da Untersuchungen wie beispielsweise eine Darmspiegelung oder Blutuntersuchungen keine Ergebnisse hervorbrachten. Der Begriff „Somatisierungsstörung“ (engl. „Somatic Symptom Disorder”) bezeichnet körperliche Beschwerden, die ein Arzt nicht oder nicht ganz auf eine körperliche (organische) Ursache zurückzuführen kann. Kennzeichnend dabei ist, dass Patienten trotz wiederholt negativer Diagnostik und keiner körperlichen Hinweise auf eine Erkrankung auf bestimmte körperliche Symptome fixiert ist. Patienten zeigen teilweise auch übertriebene Gedanken, Gefühle und Verhaltensweise, die mit Beschwerden und Gesundheitssorgen verbunden sind.

Dementsprechend verlaufen Arztbesuche häufig frustrierend. Inzwischen gehört das Reizdarmsyndrom zu den sogenannten „funktionellen Körperbeschwerden”, an deren Entstehung die Psyche maßgeblich beteiligt sein soll. Es gibt aber auch noch andere Ansätze, welche die Symptome und zum Teil auch die Entstehung besser beschreiben können.

In einigen Untersuchungen konnten bei Reizdarm-Patienten Mikroentzündungen der Darmschleimhaut und Veränderungen der Darmflora festgestellt werden. Die Darmflora beschreibt die Gesamtheit der Mikroorganismen, die den Darm besiedeln.

Weiterhin spielt die Verbindung zwischen dem Nervensystem des Darms und dem des Gehirns eine entscheidende Rolle in der Aufrechterhaltung der Symptome. Forscher fanden zudem heraus, dass Nerven in der Darmwand von Betroffenen eine veränderte Aktivität aufweisen.

Auch eine bakterielle Fehlbesiedlung des Darms könnte für viele Symptome des Reizdarms verantwortlich sein. Bei Betroffenen ist die Beweglichkeit und Aktivität (Motilität) des Darms gestört, sodass Nahrung nicht wie gewohnt verdaut und durch den Darm transportiert werden kann. Auch Schmerzen und Blähungen werden mit der bakteriellen Fehlbesiedlung in Verbindung gebracht. Die Forschung ist in diesem Bereich aktuell sehr aktiv.

Ein Ungleichgewicht der bakteriellen Darmflora kann initial auch durch eine starke Magen-Darm-Infektion hervorgerufen werden, sodass man in diesem Fall von einem postinfektiösen (nach einer Infektion auftretenden) Reizdarmsyndrom spricht.

Wie wird das Reizdarmsyndrom diagnostiziert?

Die Diagnose Reizdarm ist eine Ausschlussdiagnose: Sie kann bislang nur durch den Ausschluss anderer in Frage kommenden Erkrankungen (Differentialdiagnosen) gestellt werden. So sollten etwa weitere Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes sowie Nahrungsmittelunverträglichkeiten ausgeschlossen werden. Dabei bedient man sich spezieller Methoden wie Blut- und Stuhluntersuchungen sowie endoskopischer Verfahren wie einer Darmspiegelung. Die Untersuchung im Blut von verschiedenen Parametern (Biomarkern) befindet sich noch in der Erprobungsphase.

Für die Diagnosestellung sind folgende drei Kriterien zu erfüllen:

  • länger als 3 Monate anhaltende Beschwerden, die von Arzt und Betroffenen auf den Darm bezogen werden und die in der Regel von Stuhlveränderungen begleitet sind
  • der Betroffene ist in seiner Lebensqualität beeinträchtigt und benötigt aufgrund seiner Beschwerden Hilfe
  • andere Erkrankungen wurden ausgeschlossen

Weshalb ist das Reizdarmsyndrom für Betroffene oft sehr belastend?

Die Beschwerden äußern sich in Form von häufigem Stuhldrang, Durchfall, Blähbauch, Blähungen, Bauchschmerzen und Verstopfung. Im Alltag oft präsent, beeinträchtigen diese Beschwerden dauerhaft die Lebensqualität Betroffener. Die Gedanken von Reizdarm-Patienten kreisen ständig um ihre Beschwerden und erschweren ein normales Alltagsleben enorm. Bei einem erhöhten Stuhldrang wird immer Ausschau nach einer Toilette gehalten, damit diese bei Bedarf schnell aufgesucht werden kann. Es bestehen häufig Unsicherheiten und Ängste, wenn im Berufsalltag Bauchkrämpfe, Blähungen und Darmgeräusche die Arbeit erschweren. Restaurantbesuche werden teilweise gemieden, da Nahrungsmittel Beschwerden hervorrufen können. Manche Betroffene nehmen soziale Aktivitäten seltener wahr, um Problemen aus dem Weg zu gehen. Die daraus resultierende psychische Belastung kann wiederum die Reizdarm–Symptomatik verstärken und es entsteht ein Teufelskreis aus körperlichen und psychischen Beschwerden.

Ist das Reizdarmsyndrom gefährlich?

Da die Lebensqualität von Betroffenen oft stark eingeschränkt ist, kommt die Frage auf, ob das Reizdarmsyndrom über längere Zeit auch die Lebenserwartung mindern kann. Studien konnten bislang diese Befürchtung nicht bestätigen. Ärzte sollten die Beschwerden dennoch ernst nehmen, denn der Leidensdruck ist für viele Betroffene sehr hoch. Reizdarm-Symptome sollten vielmehr durch eine Behandlung (Reizdarm-Therapie) auf verschiedenen Ebenen gelindert werden, um auch mögliche psychische Folgeerkrankungen zu verhindern.

Was können Betroffene selbst gegen das Reizdarmsyndrom tun?

Viele Betroffene fühlen sich bei ihrem behandelnden Arzt unzureichend beraten, da im Praxisalltag wenig Zeit für eine angemessene Reizdarm-Therapie bleibt. Dennoch gibt es einige Behandlungsmöglichkeiten, die in ihrem Zusammenwirken Symptomlinderung verschaffen können.

Eine Ernährungstherapie hilft vielen Betroffenen bei der Symptomkontrolle. Bislang gibt es jedoch keine generellen Ernährungsempfehlungen. Wenn keine speziellen Nahrungsmittelunverträglichkeiten festgestellt wurden, kann eine Low-FODMAP-Diät zu einer Linderung der Symptome beitragen. Begleitend dazu können Psychotherapie und Hypnotherapie angewandt werden. Vor allem die kognitive Verhaltenstherapie hat sich als besonders wirksam erwiesen. Ebenso haben Gespräche mit anderen Betroffenen, zum Beispiel in Form einer Selbsthilfegruppe, zusätzlich einen positiven Effekt gezeigt. Grundsätzlich sollte die Therapie je nach Schwerpunkt für jeden Betroffenen individuell gestaltet werden. Ein Symptomtagebuch kann die Selbstwahrnehmung fördern und dabei helfen, gezielt Zusammenhänge aufzudecken.

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Welche Medikamente helfen gegen das Reizdarmsyndrom?

In den Leitlinien zur medikamentösen Behandlung des Reizdarmsyndroms werden einige Präparate empfohlen, die jedoch lediglich zur Symptomlinderung beitragen können, nicht aber ursächlich wirken. Bei begleitenden psychischen Beschwerden kommen auch Antidepressiva zum Einsatz. Auch Probiotika und pflanzliche Arzneimittel sind für die Behandlung relevant.

Quellen

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