Amylase-Trypsin-Inhibitoren – Wo kommen die Getreide-Proteine vor und was sind die Auswirkungen?
In den letzten Jahren sorgten sogenannte Alpha-Amylase-Trypsin-Inhibitoren (kurz: ATIs) zunehmend für Aufmerksamkeit in der internationalen Forschung. Diese Art von Eiweißen (Proteinen) kommt in Getreidearten vor und steht im Verdacht, Verdauungsbeschwerden zu verursachen. Beim derzeitigen Forschungsstand wird allerdings bisher nicht empfohlen, auf Nahrungsmittel mit Amylase-Trypsin-Inhibitoren zu verzichten, da ein Nutzen noch nicht erwiesen ist.
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Was sind Amylase-Trypsin-Inhibitoren?
Bei den Alpha-Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATIs) handelt es sich um eine Gruppe von Eiweißen (Proteinen), die hauptsächlich in glutenhaltigem Getreide vorkommen. Hierzu zählt insbesondere Weizen.
ATIs übernehmen folgende Funktionen im Getreide:
- Abwehr von Parasiten
- Hemmung des Eiweiß-Abbaus im Getreidekorn
Diese natürlichen Eigenschaften machen die ATIs zu einem wichtigen Bestandteil des Getreides. Sie kommen häufig gemeinsam mit den Glutenproteinen Gliadin und Glutenin vor.
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Welche Auswirkung haben ATIs auf den Körper?
ATIs sind schwer verdauliche Proteine, die verschiedene Auswirkungen auf die Gesundheit haben können. Sie können beispielsweise Allergien auslösen und rufen bei Betroffenen das sogenannte Bäcker-Asthma hervor. Dabei handelt es sich um eine Allergie gegen Mehlstaub. Inwieweit diese Getreide-Proteine auch Reaktionen im Verdauungstrakt verursachen, ist nach dem jetzigen Forschungsstand allerdings noch umstritten.
Der an sich harmlose Bestandteil der Nahrung könnte bei manchen Personen durch das Immunsystem – das Abwehrsystem des Körpers – hervorgerufene Entzündungen verursachen. Darauf weisen Untersuchungen unter Laborbedingungen hin. Ob die Aktivierung des Immunsystems auch im lebenden Menschen funktioniert und eine deutliche klinische Relevanz ‒ das heißt eine Auswirkung auf das Beschwerdebild ‒ hat, lässt sich noch nicht klar sagen.
Labor-Erkenntnisse zu ATIs könnten eine mögliche Erklärung für die Beschwerden bei einer Weizensensitivität (Synonyme: Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität, Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität oder non-celiac gluten sensitivity; kurz: NZNW-WS, NCWS oder NCGS) liefern. Im Falle einer Weizensensitivität haben Betroffene keine Zöliakie, aber ihre Beschwerden bessern sich erwiesenermaßen bei einer Reduktion des Verzehrs von weizenhaltigen Lebensmittel oder einem kompletten Verzicht. Lange dachte man deshalb, dass Gluten verantwortlich für diese Reaktion des Körpers sei. Heute vermuten Experten aber, dass ATIs eine Rolle spielen könnten.
Was sind die Symptome bei der Weizensensitivität (NZNW-WS)?
Bei der NZNW-WS können unter anderem diese Beschwerden auftreten:
- Bauchschmerzen
- Magenschmerzen
- Blähungen
- Durchfall
- Verstopfung
- Übelkeit
Neben Beschwerden, die den Verdauungstrakt betreffen, treten auch unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen und Müdigkeit auf. Unter anderem können folgende Symptome ebenfalls auftreten:
- Benommenheit
- Krankheitsgefühl
- Gelenkschmerzen beziehungsweise Muskelschmerzen
- Hautveränderungen
- depressive Verstimmung und Angstgefühle
- Blutarmut (Anämie)
- bei der Frau: Regelbeschwerden
Wie stellt der Arzt eine Diagnose?
Da die Symptome durch den Verzehr von glutenhaltigen Lebensmitteln ausgelöst werden, muss ein Arzt eine Zöliakie – im Volksmund oft fälschlicherweise „Glutenunverträglichkeit” genannt – sowie eine Weizenallergie ausschließen, bevor er die Diagnose Weizensensitivität stellen darf.
Warum verursachen ATIs Beschwerden?
Eine mögliche Erklärung für Beschwerden nach dem Verzehr von Weizen und anderer Getreidearten ist eine Überreaktion des Immunsystems. Bestimmte Zellen des Immunsystems dienen dazu, in den Körper eingedrungene Krankheitserreger (Antigen) erkennbar zu machen. Sie werden als antigen-präsentierende Immunzellen bezeichnet. Hierzu zählen unterschiedliche Arten von Zellen. Auf deren Oberfläche befinden sich „Andockstellen” (Rezeptoren), an denen normalerweise Teile der Oberflächenstruktur von Krankheitserregern binden. Das Immunsystem kann so Erreger erkennen und unschädlich machen. Unter Laborbedingungen wurde bereits gezeigt, dass auch ATIs das Immunsystem über die sogenannten Toll-Like-Rezeptoren (TLR4) aktivieren.
Insbesondere Müdigkeit und Gliederschmerzen können durch die Aktivierung des Immunsystems erklärt werden. Außerdem könnte die Aktivierung der Immunzellen auch eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut (Darm-Permeabilität) verursachen. Diese führt wiederum zu Durchfällen und unverdaute Nahrungsreste lösen im Dickdarm Blähungen und Schmerzen aus.
Wie viele ATIs stecken in welchen Lebensmitteln?
Zum genauen ATI-Gehalt von Lebensmitteln gibt es bisher wenige Listen. Aus den wenigen bisherigen Studien haben wir eine Übersicht zusammengestellt. Wichtig zu wissen ist hier, dass ATIs eine ganze Gruppe von Eiweißen bezeichnet, von denen manche eine stärkere Abwehr-Reaktion auslösen als andere. Entscheidend ist also nicht nur die Menge von ATIs, sondern auch deren genaue Zusammensetzung.
Die folgende Tabelle zeigt wie unterschiedlich die Abwehr-Reaktion auf die jeweiligen Lebensmittel ausfiel. ATIs wurden hierfür aus verschiedenen Lebensmitteln isoliert und in gleichen Mengen an Test-Tiere und -Zellen verabreicht. Die Reaktion auf Weizen-ATIs gilt als Referenzwert.
Nahrungsmittel | Stärke der Abwehrreaktion verglichen mit der Reaktion auf Weizen-ATI | |
Weizenmehl (glutenhaltig)
Gerste, Kamut, Dinkel, Emmer (unverarbeitet) |
100 Prozent | hoch |
Weißbrot, Schwarzbrot, gekochte Nudeln (ohne Salz), Couscous, Plätzchen | > 50 Prozent | hoch |
Soja, Buchweizen, Hirse, Tef, Einkorn | > 20 Prozent | mittel |
gekochte Nudeln mit Salz, Pizza, Milchpulver, Bohnen, glutenfreie Frühstückscerealien | 10 bis 50 Prozent | mittel |
Linsen, Quinoa, Hafer | < 10 Prozent | niedrig |
glutenfreie Backwaren (Nudeln, Mehle, Brote)
und Maisstärke |
< 10 Prozent | niedrig |
Amaranth, Reis, Mais, Kartoffeln | < 2 Prozent | sehr niedrig |
Tabelle nach Smollich und Vogelreuter (2018) und Zevallos et al. (2018)
Die Auswirkung der ATIs auf die Darmgesundheit ist jedoch noch umstritten. Deswegen ist eine Ernährungsumstellung anhand dieser Tabelle angesichts des aktuellen Forschungsstandes zu diesem Zeitpunkt nicht zu empfehlen.
Faktenwissen: Wie viel ATIs sind in Getreide enthalten?
- „alte” Weizen-Sorten können ähnlich hohe ATI-Konzentrationen aufweisen wie neu gezüchtete Hochleistungssorten
- es gibt Einkorn-Sorten, die fast ATI-frei sind
- bei Dinkel variiert der ATI-Anteil je nach Sorte und Anbau
- ATIs in glutenhaltigen Getreidearten lösen stärkere Entzündungsreaktionen aus als ATIs in glutenfreien Nahrungsmitteln
Zusammenfassung
ATIs kommen in Getreide vor und können laut Labor-Untersuchungen Reaktionen des Immunsystems auslösen. So können sie Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen haben. Sie können beispielsweise Reaktionen in der Lunge, der Haut oder dem Verdauungstrakt hervorrufen. Da ihre Auswirkung auf den Darm noch nicht vollständig geklärt ist, wird aktuell noch keine Ernährungsumstellung empfohlen.
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