Somatoforme Störungen
Somatoforme Störungen sind Erkrankungen, bei denen es zum Auftreten von physischen Symptomen kommt, die eine körperliche Erkrankung vermuten lassen. Bei somatoformen Störungen können allerdings keine hinreichenden organischen Ursachen oder andere psychische Erkrankungen als Erklärung für die körperlichen Symptome gefunden werden. Häufig wird das Reizdarmsyndrom noch als somatoforme Störung bezeichnet, obwohl der Trend dahin geht, eher von einer psychosomatischen Erkrankung zu sprechen. Es gibt zudem mehr und mehr Hinweise dadrauf, dass dem Reizdarmsyndrom auch körperliche Ursachen zugrunde liegen.
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Was sind somatoforme Störungen?
Bei somatoformen Störungen kommt es zu einer starken Wechselwirkung von Psyche und Körper. und es werden echte körperliche Symptome erlebt. Somatoforme Störungen haben sowohl psychische als auch physische Komponenten. Auslösend sind meist körperliche Ursachen. Psychische Prozesse und psychosoziale Belastungsfaktoren sind für die Aufrechterhaltung der Störungen verantwortlich.
Personen, die an einer somatoformen Störung leiden neigen zu häufigen Arztbesuchen, um die wiederholt auftretenden Körpersymptome aufzuklären, auch wenn verschiedenste Ärzte keine Erklärung für die Beschwerden finden können. Etwas 30 Prozent aller Hausarztbesuche sind auf somatoforme Störungen zurückzuführen. Dabei sind Frauen in etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Der Beginn liegt typischer Weise zwischen dem 16. und dem 30. Lebensjahr.
Somatoforme Störungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland und treten oft in Kombination mit einer Depression oder Angsterkrankung auf.
Ist das Reizdarmsyndrom eine somatoforme Störung?
Das Reizdarmsyndrom kann eine somatoforme autonome Funktionsstörung darstellen, wenn Symptome auftreten, die sich nur auf den Magen-Darm-Trakt beziehen und für die es keine hinreichende organische Ursache gibt.
Neueste Forschungsergebnisse zeigen allerdings, dass Reizdarmsyndrom-Betroffene häufig auch nachweislich körperliche Auffälligkeiten zeigen. Hierzu gehören:
- Ungleichgewicht der Darmflora,
- bakterielle Fehlbesiedelung,
- Mikroentzündungen,
- Störung der Darmbarriere (Leaky Gut) oder eine
- Störung der Muskelaktivität des Darms (Motilität)
Diese körperlichen Auffälligkeiten weisen auf eine organische Komponente des Reizdarmsyndroms hin. Das Reizdarmsyndrom gehört nach neuesten Erkenntnissen daher eher zu den psychosomatischen Erkrankungen. Die Psychosomatik setzt sich mit Störungen auseinander, bei denen es zu einer Verflechtung körperlicher und psychischer Faktoren kommt. Es besteht daher in den meisten Fällen ein doppelter Behandlungsbedarf, zum einen von medizinischer und zum anderen von psychologischer Seite.
Sind Betroffene der somatoformen Störung bloß Simulanten?
Nein! Simulation bedeutet, dass Körperbeschwerden präsentiert, aber nicht erlebt werden. Bei somatoformen Störungen kommt es zu einem echten Erleben von Symptomen, daher sind Betroffene von somatoformen Störungen keine Simulanten!
Welche Formen der somatoformen Störung gibt es?
Es lassen sich grob vier verschiedene somatoforme Störungen unterscheiden:
- Somatisierungsstörung
- somatoforme autonome Funktionsstörungen
- anhaltende somatoforme Schmerzstörungen
- hypochondrische Störung
Was ist eine Somatisierungsstörung?
Bei der Somatisierungsstörung handelt es sich um eine chronische Erkrankung, die mit diffusen Symptomen einhergeht. Es kommt zum wiederholten Auftreten von vielen, häufig wechselnden körperlichen Symptomen, über einen Zeitraum von zwei Jahren oder länger.
Personen, die von einer Somatisierungsstörung betroffen sind, weisen meistens eine lange Krankheitsgeschichte mit häufigen Arztkontakten und einigen Selbstheilungsversuchen auf. Die Symptome können sich dabei auf jedes Körperteil oder System des Körpers beziehen.
Beispielsweise kann es zu folgenden Symptomen kommen:
- Magen-Darm-Symptome: z.B. Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Würgen, schlechter Geschmack im Mund
- Herz-Kreislauf-Symptome: z.B. Schmerzen in der Brust, Atemnot ohne vorausgegangene Anstrengung
- Haut- oder Schmerzsymptome: z.B. Taubheit, Kribbelgefühl, Gliederschmerzen, Farbveränderungen der Haut
- Urogenitale Symptome: z.B. schmerzen beim Wasserlassen, veränderter Ausfluss, unangenehme Empfindungen im Genitalbereich
- pseudo-neurologische Symptome: z.B. Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen, Lähmungen und Muskelschwäche, Kloß im Hals, Sehstörungen, Krampfanfälle, veränderte Sensibilitätsempfindungen
Bei einem kürzeren Verlauf mit weniger und weniger stark ausgeprägten Symptomen wird von einer undifferenzierten Somatisierungsstörung gesprochen.
Was sind somatoforme autonome Funktionsstörungen?
Bei den somatoformen autonomen Funktionsstörungen kann es, ähnlich wie bei der Somatisierungsstörung, zum Auftreten diffuser Körpersymptome kommen. Im Vergleich zur Somatisierungsstörung erleben Betroffene der somatoformen autonomen Funktionsstörungen die Symptome als Erkrankung eines spezifischen Organs oder Körpersystems. Bei diesen Störungen kann es zu Symptomen des Herzkreislauf-Systems kommen, zum Beispiel bei einer Herzneurose, oder zu Symptomen im oberen oder unteren Magen-Darm-Trakt, wie beispielsweise beim Reizdarmsyndrom, oder zu Symptomen des Urogenitalen- oder Atmungssystems.
Bei der Somatisierungsstörung und den somatoformen autonomen Funktionsstörungen kann es zu konkreten Körpersymptomen wie Blähungen oder Durchfall kommen. Bei anhaltenden Schmerzstörungen berichten Betroffene von andauernden, quälenden Schmerzen, die unabhängig von konkreten Körpererscheinungen auftreten. Diese Schmerzen können nicht vollständig durch physiologische Vorgänge erklärt werden. An der Entstehung einer Schmerzstörung sind emotionale und psychosoziale Belastungsfaktoren ursächlich beteiligt. Besonders häufig kommt es zu Kopf- oder Rückenschmerzen. Die Schmerzen können dabei variieren und müssen sich nicht immer auf das gleiche Körperteil beziehen.
Wie gehen Patienten mit somatoformen Störungen um?
Während der Fokus bei der Somatisierungsstörung, Funktionsstörungen oder Schmerzstörungen auf dem Erleben von körperlichen Symptomen liegt und es nicht unbedingt zu ausgeprägten Krankheitsängsten kommen muss, leiden Betroffene der hypochondrischen Störung unter der Überzeugung und Angst, von einer schweren, vielleicht sogar lebensbedrohlichen körperlichen Erkrankung betroffen zu sein, wie beispielsweise Darmkrebs. In der Folge kommt es zu vielen Arztbesuchen und einer starken Beschäftigung mit Körperphänomenen. Die starke Fokussierung auf den eigenen Körper und eine erhöhte Alarmbereitschaft kann bei Betroffenen zu einer schnellen Überbewertung der allgemeinen Körperwahrnehmung führen.
Was sind die Ursachen von somatoformen Störungen?
Die Ursachen von somatoformen Störungen sind weitestgehend unklar und bisher nur spärlich erforscht. Als Ursachen und Risikofaktoren werden folgende Faktoren diskutiert:
- genetische Faktoren
- somatoforme Beschwerden bei Familienmitgliedern und positive Assoziationen mit der Krankenrolle (z.B. Krankheit geht mit Fürsorge und der Erlaubnis zu einer Schonhaltung in der Folge einher)
- Belastungsfaktoren in der Kindheit, wie z.B. Armut, Vernachlässigung, Missbrauch, Verlust eines Elternteils
- frühe Störungen in der Beziehung zum eigenen Körper
- Traumata
- Gewalterlebnisse
- neurophysiologische Ursachen, wie z.B. ein erhöhter Cortisolspiegel
- minimale organische Dysfunktionen, wie z.B. eine gestörte Darmmortalität oder Mikroentzündungen
- Folge- oder Nebenwirkungen von Medikamenten
- Inaktivität, Schonverhalten oder schlechter Schlaf
- Niedrige Erregungsschwelle (Arousal) für Außenreize
- nicht erkennen körperlicher oder psychischer Beschwerden und Fehlbehandlungen
- Belastung durch Stigmatisierung und dem bagatellisieren der Symptome durch das soziale Umfeld
- Persönlichkeitsvariablen, wie Defizite in der Emotionswahrnehmung und gefühlskalte Züge
Häufig kann nicht ein einziger Faktor als Auslöser identifiziert werden, sondern es kommt zu einer Summe von ungünstigen Faktoren, die zur Entstehung einer somatoformen Störung beitragen können.
Wie entsteht ein chronischer Verlauf?
Die Beschwerden, wie beispielsweise Schmerzen, sind häufig zunächst ein Symptom einer bestehenden körperlichen Erkrankung. Sie dienen als Warnsignale und fördern heilendes Verhalten. Bei einer Chronifizierung kommt es häufig zu einer Entkoppelung der Beschwerden von der körperlichen Schädigung. Dies führt dazu, dass die Intensität und Lokalisation der Beschwerden nicht mehr der eigentlichen körperlichen Schädigung entsprechen. Die Beschwerden haben ihre Warnfunktion verloren und das Symptom einer ursprünglichen Krankheit ist zu einer eigenständigen Erkrankung geworden. Die Behandlung zielt daher überwiegend auf eine Linderung der Beschwerden ab und nicht auf die Heilung körperlicher Schädigungen.
Wie lassen sich somatoformen Störungen behandeln?
Bei der Behandlung somatoformer Störungen ist es wichtig, dass Körper und Körpersymptome mit einbezogen werden. Der Austausch zwischen Medizinern und Psychologen und Psychotherapeuten ist nicht nur während der Diagnostik von zentraler Bedeutung, sondern ist es auch während der Behandlung.
Folgende Verfahren haben sich als wirksam erwiesen:
- psychodynamische Therapien
- kognitiv-behaviorale Therapie
- Psychoedukation
- Entspannungsverfahren
- Hypnotherapie
- Sporttherapie, Physiotherapie, Kreativtherapie
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